Über Dynamic Facilitation, Choice Creating und den Wisdom Council (Bürgerrat)

Jim Rough hat mit dem Choice Creating-Ansatz das Kernstück von Dynamic Facilitation geprägt. Im Wisdom Council hat er eine weitere Anwendungsform entwickelt, die es ermöglicht, Dynamic Facilitation für beliebig große Gruppen zu skalieren.

Nehmen wir an, Dynamic Facilitation ist unser Betriebssystem. Dann ist Choice Creating ein Zustand höchster kollektiver Schaffenskraft, den wir mit Hilfe von Dynamic Facilitation erreichen können. Der Wisdom Council-Prozess ist wiederum ein Anwendungsbeispiel, mit dem sich Systeme einem nachhaltigen Wandel unterziehen können.

Unter Choice Creating, das sich sinngemäß nur sehr schlecht ins Deutsche übersetzen lässt, wird jenes Gespräch verstanden, in dem die Gedanken kreisen und nacheinander aufeinander aufbauen. Es kommt zu einem Punkt, an dem eine Person im Raum das formuliert, was formuliert werden will: eine Lösung, von allen akzeptiert, von allen nachvollziehbar, für alle relevant und daher sinnvoll. Im großen Unterschied zu einer Entscheidung für
etwas und weg von etwas anderem entsteht diese Lösung generativ aus der Mitte der Runde. Zudem entsteht sie in Einmütigkeit.

Den Versuch, Choice Creating zu übersetzen, möchte ich an dieser Stelle dennoch wagen. Der Begriff der Wahlmöglichkeiten fällt aus, da hier das Entscheiden zwischen Optionen im Vordergrund steht. Statt „ja, aber…“ hören wir in einer Choice-Creative geprägten Konversation „ja genau, und…“. Es wird also nicht das Argument des anderen abgeschwächt, indem ich ein Gegenargument einbringe. Vielmehr bauen die Beiträge aufeinander auf und ermöglichen so die gemeinsame Arbeit an einer Lösung.

»Choice« entspricht in seinem Wortstamm am ehesten dem deutschen Wort Kür. Es sind also Lösungen, die erkoren wurden und dies aus unserer tiefsten Schaffenskraft – mit Kreativität, daher: Choice Creating. Da „Kreatives-Küren“ nicht unbedingt leicht von den Lippen geht und womöglich bei unseren Gesprächspartnern für Unverständnis sorgt, möchte ich diese andere Perspektive auf Choice Creating anbieten.

Die erste Phase einer Dynamic Facilitation-Session ist die Phase der „Reinigung“ (Purge). Es werden alle großen Emotionen, wie Wut, Frust, Mutlosigkeit und Angst benannt und auf den Flipcharts für alle sichtbar notiert. Hat eine Gruppe diesen Schritt hinter sich gelassen, dann kann es nach einem Moment der Stille zu einem Gespräch im Sinne des Choice Creating kommen. Der Dynamic Facilitator setzt dann für einen Moment seine bisherige Tätigkeit des empathischen Zuhörens, des Paraphrasierens und Spiegelns sowie des Mitschreibens aus und lässt das Gespräch unter den Teilnehmern zu. Nun kreisen die Gedanken. Dieser Raum, in dem mit Leichtigkeit alles gesagt werden kann, ohne bewertet zu werden, in dem ein Gedanke den nächsten beflügelt, dieser Raum der leichten Möglichkeiten, das ist Choice Creating.

Wisdom Council-Process

Hinter der Idee des Wisdom Council-Prozesses steht der Gedanke, ein System iterativ einem Veränderungsprozess zu unterziehen, damit dieses auch in Zeiten der Veränderung für die Menschen dienlich bleibt. Die Formate Wisdom Council (Bürgerrat) und Creative Insight Council ermöglichen Beteiligung auf allen Ebenen und können in Unternehmen, Organisationen, einer Gemeinschaft, in Kommunen oder Regionen, sogar auf der Ebene ganzer Nationen eingesetzt werden.

Zur Bürgerbeteiligung ist der Wisdom Council ein Format, mit dem eine Kommune oder ein ganzes Land eine zufällig ausgewählte Gruppe von Bürgern einlädt, während zwei Tagen an einer der großen gesellschaftlichen Fragen zu arbeiten. In seiner Urform ist die Frage von der Gruppe zu bestimmen.

Im Creative Insight Council geht man mit einer vorformulierten Frage in den Prozess. Ob Creative Insight Council oder Wisdom Council, beide Formate werden mit Dynamic Facilitation moderiert. In beiden Formaten arbeitet eine Gruppe an der Lösung scheinbar unlösbaren Probleme – den sogenannten »Wicked Problems«.

Die Idee des Wisdom Council-Prozesses besagt nun, dass sich ein System sukzessive nur dann nachhaltig zum Nutzen der Bürger und Bürgerinnen verändern lässt, wenn diese Form der Bürgerbeteiligung in regelmäßigen Abständen immer und immer wieder abgehalten wird.

Auch in Unternehmen und Großkonzernen kann mit dem Wisdom Council gearbeitet werden. Ein Unternehmen betreibt damit aktive Resilienzarbeit, da es sich den Veränderungen am Markt fortlaufend unter Einbeziehung der eigenen Belegschaft anpasst und damit krisensicher aufstellt.

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