Co-Autoren: Fayegail Bisaccia, Susan Edwards, DeAnna Martin, Joseph McCormick, Sandra Mueller, Joseph McCormick, Jean Rough; Gekürzt, ergänzt und übersetzt von Markus Götsch.
Was ist Dynamic Facilitation?
Dynamic Facilitation ist eine Form der Moderation, bei der Menschen schwierige Themen kreativ und gemeinsam angehen. In der Regel führt das zu Durchbrüchen. Es entsteht ein Gesprächs- und Denkprozess, der gegenseitigen Respekt, Vertrauen und den Sinn für Gemeinschaft schafft.
Der Dynamic Facilitator spielt eine aktive Rolle und hilft Menschen, ihrer Intuition zu folgen. Er oder sie hilft der Gruppe, ein Problem ausfindig zu machen, das ihr wirklich wichtig ist, ganz egal ob es lösbar erscheint oder nicht. Dann unterstützt die DF-Moderation das zu formulieren, was den einzelnen Teilnehmer*innen am Herzen liegt. Dabei hilft die Moderation die Bedeutung des Gesagten für alle so konkret, so spezifisch, wie möglich zu erfassen.
Die Moderation folgt dem natürlichen Fluss des Gesprächs und geht dabei auf die Spontaneität der Gruppe ein. Erst in diesem scheinbar ungeordneten Raum – für manche mag es chaotisch erscheinen – ist Wandel möglich. Manchmal entstehen so neue Ideen, manchmal ist es die Erkenntnis, für das echte Problem, und manchmal gibt es einen Sinneswandel.
Was ist das Einzigartige an Dynamic Facilitation?
Die meisten Prozesse versuchen, sich zuerst einen Überblick über das Problem zu verschaffen, um Klarheit herzustellen. Dann werden mögliche Ansätze diskutiert und schließlich wird entschieden.
Dynamic Facilitation folgt diesem Ablauf nicht. Vilemehr ernten wir dabei das Gesagte im Verlauf des Prozesses, wie Früchte. Wir sortieren diese Früchte nicht und sortieren sie nicht. Damit unterscheidet sich Dynamic Facilitation in mehrfacher Hinsicht von anderen Formen des Dialogs und der Entscheidungsfindung:
1. Dynamic Facilitation schätzt das Individuum dort, wo es gerade ist. Es lädt die Teilnehmer*innen ein, als Individuen mit ihren ganz persönlichen Sichtweisen und Motiven sichtbar zu werden. Es ist eine sehr wertschätzende Umgebung in der das Zuhören und Lernen voneinander im Vordergund steht. So wird dem allmählichen Wandel Raum und Zeit gegeben und ganz nebenbei erlebt die Gruppe womöglich einen oder mehrere Durchbrüche am Weg zur Lösung.
2. Dynamic Facilitation bedeutet in wahrsten Sinne Auseinandersetzung. Als Teilnehmer*in muss ich bzw., kann ich gar nicht sofort auf das Bezug nehmen, was mein*e Vorredner*in sagt. Es veranlasst mich die Dinge von einer neuen Perspektive wahrzunehmen und diese Wahrnehmung auszuhalten. Diese Auseinandersetzung mit neuen, fremden Perspektiven bildet den Rahmen in dem etwas entstehen kann. Als Teilnehmer*in übernehme ich für mich Verantwortung und mache mich bemerkbar, wenn ich etwas sagen will. Ich zeige mich mit meiner Energie, die ich bereit bin beizutragen. So wird meine Stimme sichtbar, denn der Moderator schreibt für mich und für alle anderen mit.
So wird ein Konflikt, eine vermeintliche Meinungsverschiedenheit als positives Ereignis in einer Gruppe gesehen, wenn der Fokus in Folge auf einen fruchtbaren Dialog gelegt wird. Die Grundregeln und die gute Moderation verhindern, dass Konflikte außer Kontrolle geraten, ersticken sie aber nicht.
3. Das ultimative Ziel von Dynamic Facilitation ist das Freisetzen von Co-Kreativität und Kraft zur Veränderung. Das gelingt insbesondere durch die tiefe Form des Zuhörens. Statt dem kleinsten gemeinsamen Nenner, dem Kompromiss entsteht so Konsens. Die Teilnehmer eines Bürger*innenrats treffen sich in der Regel bei einer gemeinsam und in Einigkeit angenommen Idee für die Zukunft, die weit über die Denk-Fähigkeiten des einzelnen hinausgeht. Diese wertschätzende Form der einfühlsamen Übereinkünfte wird auch als Co-Sensing beschrieben.
Warum Dynamic Facilitation für Bürger*innenräte?
Dynamic Facilitation ist ein schneller Weg um in einer Gruppe ein schwieriges Problem zu lösen, beziehungsweise Konsens oder einen Durchbruch zu erreichen.
Wenn dies geschieht, können die Ergebnisse außergewöhnlich sein und jeder Mensch fühlt eine starke Verbundenheit mit dem gemeinsam erarbeiteten Ergebnis der Gruppe. Der Prozess baut individuelle Fähigkeiten, Bewusstsein, Vertrauen und Verbundenheit auf.
Dynamic Facilitation orientiert sich an intrinsischen Faktoren, wie z.B. wie viele Menschen sich für das jeweilige Thema interessieren oder wie begeistert sie von einer bestimmten Idee sind. Der Ablauf ist dynamisch. Er wird von der Moderation nicht gesteuert. Es ist wie im Kreisdialog, wenn Menschen aufgeschlossen, ehrlich und offenherzig Themen erörtern. Der Vorteil von Dynamic Facilitation gegenüber dem Kreisdialog liegt darin, dass konkrete Probleme, und sogar Krisen und Konflikte angegangen werden können und diese auch einer Lösung zugeführt werden.
Außerdem braucht es von Seiten der Teilnehmer*innen kein spezielles Training oder Einhaltung eines Regelwerks, um an einer Dynamic Facilitation Session wie beim Bürger*innenrat teilzunehmen. Die Moderation und ihre Fähigkeit Dynamic Facilitation anzuwenden, ist der Schlüssel zum Erfolg. Er oder sie spielt eine aktive Rolle und sorgt für eine hohe Qualität des Sprechens, Zuhörens und Denkens.
Auswahl eines/r Dynamic Facilitation Moderators/Moderatorin
In der Regel ist mit einem Aufwand von etwa 3000 Euro pro Moderator*in eines Bürgerrats zu rechnen.
Die Dyanmic Facilitation Sessions im Zuge des Bürgerrates sollten mit zwei Moderatoren abgewickelt werden, oder zumindest sollte eine Assistenz bereit gestellt werden. Diese Person sollte den Prozess und die Methode Dynamic Facilitaiton kennen und hilft etwa beim umhängen der Flipcharts. Gemeinsam halten sie den Raum und wechseln sich gegebenenfalls ab.