Qualität von Dynamic Facilitation

Wir wollen mit einer Frage beginnen, die offen ist und nach einem wirklich wichtigen und dringlichen Thema sucht. Je komplexer desto besser. Es ist aber auch möglich mit einem sogenannten »Wicked Problem«, einer verzwickten Aufgabenstellung zu starten. Diese sind hochkomplex, unter Umständen so sehr, dass die eigentliche Fragestellung noch gar nicht klar ist. Sie sind zudem emotional geladen, konfliktär. Auf mehreren Seiten gibt es ein persönliches Investment. 

In solchen Situationen ist Dynamic Facilitation für mich das Supertool der Kommunikation. Was dem Jedi Ritter sein Laserschwert, ist für ProzessbegleiterInnen, ModeratorInnen und MediatorInnen Dynamic Facilitation.

Ich kann damit Deliberation ermöglichen. Und zusätzlich kann ich noch auf eine wesentlich tiefere Ebene gehen und eine Gruppe von Menschen anleiten in Kontakt mit ihrer Lebensspur zu kommen. Wenn wir mit Dynamic Facilitation eine Gruppe dorthin führen, dann erwacht das gestaltende Element, eine schöpferische Kraft. Wir ermöglichen dann Kreativität. (Facilitating Creatvitiy vs. Facilitating Deliberation). Hier wird der Bezug zu C.G. Jungs Theorien erkenntlich. Bei Jung geht es um »Individuation« in der Annahme, dass jedes Individuum seine Umwelt mitgestalten möchte und in der Auseinandersetzung mit dem Unterbewussten (bei Jung sind das die Schattenseiten) mehr über sich selbst und seine Lebensaufgabe verstehen lernt. Mit Dynamic Facilitation regen wir so einen Prozess auf individueller Ebene an und ernten ihn als Gemeinschaft, wenn die Dinge aus dem kollektiven Unbewussten auftauchen, wenn also die Lösungen in Emergenz entstehen.

Friedrich Glasl und auch Otto Scharmer beschreiben diese »Quelle« für neue Handlungsmöglichkeiten in ihren Theorien auch. Bei Jim Rough ist es das Choice Creating. Der Raum in dem alles möglich ist – ein Möglichkeitenraum.

Glasls Modell folgt folgenden Schritten: Problembewusstsein – Selbstverantwortung – Gefühlsebene – Bedürfnisebene – Lösungen; Er hat sein Modell wie Otto Scharmer in einem U angelegt. Als Umweg, weil der direkte Weg zur Lösung nicht rein aus dem Verstand erfolgen kann und  auch über den Bauch gehen muss, sodass die Hand versteht…

Bei Otto Scharmer gibt es ebenfalls ein U, die Theory U oder U-Theorie. Am linken Rand des Us gehen wir einen Bewusstwerdungsprozess entlang. Am unteren Totpunkt angekommen durchschreiten wir das U und kommen mit der »Quelle« in Berührung. In diesem Modell geht es in Folge dann darum die Vision für die Zukunft ins Leben zu bringen und zu prototypisieren…


Wir gehen nun also mit der Grundhaltung an Dynamic Facilitation herangehen, dass wir da sind um einer Gruppe von Menschen Kreativität zu entlocken. Mit Dynamic Facilitation finden wir uns dann in einem Bewusstwerdungsprozess wieder, an dem eine ganze Gruppe von Menschen teilnimmt. Wir wollen, dass sich die Teilnehmenden Personen authentisch geben und nicht mit dem Rucksack einer Stellvertreterrolle kommen. Das würde den Prozess lähmen, da sich die Rolle als resistent gegen Transformation erweist. In dem Glauben eine nicht anwesende Gruppe vertreten zu müssen, tun wir uns schwer uns von den Dingen zu lösen. Selbst dann, wenn es schon absurd erscheinen mag. 


Das schöne an DF ist, dass wir damit auch einen Weg finden Außenseitermeinungen in das Gespräch aufzunehmen. Die ungehörten bekommen eine Stimme. Aber auch jene Stimmen, die man sonst aussperrt oder verächtet, bekommen bei DF die Zeit und den Raum, um gehört zu werden. Dinge die viele niemals sagen würden oder verpönt sind, finden plötzlich ihren Platz. Wir befreien damit die Redner von einer Last und einem Druck sich endlich auch einmal Gehör zu verschaffen. Wenn dann das Gesagte raus ist, wird der Kopf wieder frei für neue Gedanken – auch von außen. Dann erst können die vielen Informationen und anderen Gesprächsbeiträge aufgenommen und verarbeitet werden. Diese erste Phase einer Dynamic Facilitation Session ist die Reinigung. Hier entsteht Verbundenheit und Vertrauen zu einander aber auch Vertrauen  in die Kraft der Gruppe, selbst unmögliche Dinge in Bewegung zu setzen.  

Wir halten mit DF also einen persönlichen, vertrauensvollen Rahmen. Insbesondere, wenn wir in eine tiefe Verbindung mit der redenden Person gehen – egal was diese auf der inhaltlichen Ebene sagt. Wir paraphrasieren, reflektieren, schreiben auf. Mit We-flection helfen wir noch nicht Gesagtes zu formulieren. Wenn wir so arbeiten sind wir über  einem imaginären Kanal mit der sprechenden Person verbunden. Aus diesem Kanal halten wir alle Störfaktoren, wie Zwischenrufe, Widerrede etc. fern.  Wir schließen diesen Kanal dann wieder, um ihn im Anschluss in ebensolcher Achtsamkeit für die nächste Person zu öffnen. Insofern sind wir auch allparteilich. 

Die Achtsamkeit, die ich hier meine, hat aber nur bedingt etwas mit behüten oder vorsichtig sein zu tun. Es ist auch nicht die Achtsamkeit, die mit einer Wohlfühlatmosphäre einhergeht. Ich meine eine Achtsamkeit in der wir im Moment, die gerade notwendige Handlung setzen. Zum Beispiel kann Ironie und Sarkasmus der Ausdruck eines Gefühls sein. Wir fragen dann etwa wie folgt nach:“Was meinst du damit genau? Wie fühlt sich das an für dich? Was steckt denn dahinter?”, und konkretisieren. Auch hinter einem Witz kann sich im Grunde ein nicht ausgesprochener Konflikt verstecken. Diesen wollen wir ansprechen. Wir sind wir dann achtsam, wenn wir den Moment nicht verstreichen lassen, sondern sofort nachhaken, unter Umständen lästig sind,  in kindlicher Neugierde nachfragen um den Dingen auf den Grund zu gehen. Wir wollen es eben ganz genau wissen.

Niemals jedoch fragen wir eigene Annahmen ab, die uns unser Verstand einflüstern könnte. In der Vorstellung lösen wir uns von unserem Verstand für die Zeit der Dynamic Facilitation Moderation. Der Verstand  ist suspendiert – weit in den Hintergrund gerückt. 

Die kindliche Neugierde kann auch als Anfängergeist bezeichnet werden. Etwa in der Haltung von: »Ich bin neu hier in deiner Welt, also beschreibe sie mir, damit ich sie verstehen kann«. Dadurch erlauben wir der ganzen Gruppe Verständnis für die individuelle Sichtweise einer Person zu bekommen. Gleichzeitig lösen wir Allgemeinplätze in Luft auf. So entlarven sich – und das völlig wertfrei –  der Schwafler und der Vielredner-Aber-Nichts-Sager selbst.

Dieses Einfordern von Eindeutigkeit, das Konkretisieren, das aus Sicht des Anfängers ganz wichtig ist, hilft der Gruppe Klarheit zu gewinnen. Auf individueller Ebene mag es für die Teilnehmenden als unangenehm empfunden werden und dennoch geschieht es im Sinne der Qualität des Prozesses. Das Unangenehme ist Anzeichen für einen losgetretenen inneren Prozess.  Dieser innere Prozess kann wiederum der Schlüssel zum Durchbruch sein, wenn im Unbewussten schlummernde Dinge ins Bewusstsein treten. Viele denken dann womöglich schon, was schlussendlich eine Person ausspricht.

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